Vor gut 50 Jahren kam der junge Kaplan H. Philippek von St. Konrad in Erle in unsere Pfarrgemeinde und schaffte es, in kurzer Zeit die Jugend für sich und die Jugendarbeit zu begeistern. Es war damals eine revolutionäre Zeit der Studentendemonstrationen gegen den Schah, gegen die NPD, aber auch gegen alles Bürgerliche.

Bei seinen Predigten war die Kirche stets voll. Er veranstaltete Kunstausstellung und Musikveranstaltungen. Kurz gesagt, die Gemeinde lebte mit ihm auf.

Es war auch die Zeit des Vietnamkrieges, Fritz Teufel hatte in Berlin eine Menge zu sagen … und jetzt war da ein Kaplan, der Jugendliche mit langen Haaren im Pfarrhaus wohnen ließ. Sie waren zudem schlecht gekleidet und nahmen sogar Drogen? Sie sollen sogar über Sex gesprochen haben … !

Das durfte nicht sein. Schnell bildete sich eine Opposition gegen den beliebten Kaplan. Die Pfarrgemeinde war in vielen Gremien – besonders im Gemeinderat – sehr gespalten. Der damalige Pfarrer – Erich Happe – war einer seiner größten Kritiker.

Die Zeitungen berichteten

Auch nach 50 Jahren lesen sich die Geschehnisse, die wegen des großen Umfangs hier nicht abgedruckt werden können, wie ein ergreifender Roman ohne Happy End.

Die ganze Situation gipfelte darin, dass das Jugendheim auf der Vereinsstraße geschlossen wurde. Die Pfarrjugend war plötzlich heimatlos und verstand die Welt nicht mehr. Es kam zu ersten Demonstrationen vor der Kirche. Es wurden Unterschriften für den Verbleib des beliebten Seelsorgers gesammelt und zum Bischof geschickt.

Die Situation eskalierte weiter. Kpl. Philippek äußerte in einem nicht öffentlichen kollegialen Gespräch sein Verhältnis bzw. Verständnis zu Gott und den Menschen. Seine Mitbrüder zeigten ihn daraufhin beim Bischof und beim Pfarrer an.

Seine „Thesen“ sollten aber lediglich zur Diskussion anregen. So z.B. Christus ist nur Mensch, der eine einzigartige Ausstrahlungskraft bis in die heutige Zeit hat.

Es folgten 3 Disziplinarverfahren und Gespräche mit dem Bischof und anderen Amtsträgern. Zwischenzeitlich wurde er vom Bistum beurlaubt. Nicht, wegen seines Lebenswandels, sondern wegen seiner theologischen Ansichten. Zum Ende des Prozesses wurde er aber in allen Punkten rehabilitiert; sollte aber die Pfarrei in Richtung Oberhausen verlassen.

Kpl. Philippek fühlte sich damit abgeschoben, zog die Konsequenz und schied aus dem Dienst aus. Der Bischof machte einen letzten Versuch, aber Pfarrer Happe weigerte sich unwiderruflich, mit dem „roten“ Kaplan weiter zu arbeiten.

Aufregende Zeiten im Gemeinderat

So wurde aus dem Kaplan ein Metallarbeiter bei der Fa. Wildfang. Als er später aus dem Pfarrhaus auszog, verließ er auch Deutschland und zog in seine Lieblingsgegend nach Südfrankreich. Dort lebte er in glücklichen und bescheidenen Verhältnissen bis zu seinem Tod am 27. August 2013 in Notre Dame de Londres.

In der Traueranzeige steht:

Überall sind Spuren Deines Lebens, Gedanken, Bilder, Augenblicke und Gefühle – sie werden uns immer an Dich erinnern.

Quellen: Zeitungsberichte, Gelsenkirchener Geschichten und eigenes Erleben.

Text: Martin Jahnel